DR. GERDIEN JONKER, PHD. - HISTORIAN OF RELIGION AND AUTHOR
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100 Tage.
​Eine Ethnographie Berlins in der Corona-Krise
​
II. Ein Kiez geht durch die Krise

Abgeschlossen

Von 25. April bis 16. Mai

Freitag, der 8. Mai – In froher Erwartung

5/8/2020

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Ärztin (32). Ort: Seitenstraße der Uhlandstraße
 
Ich sehe sie am Fenster im ersten Stock, gerade damit beschäftigt ihrem Partner eine Tüte herunter zu werfen, aufgeweckt, energisch und hochschwanger. Will sie mich erzählen was die Krise für sie bedeutet? frage ich nach oben. Sie will. Das darauffolgende Gespräch führen wir durch die Eingangstür, ich draußen im Flur, die beiden drinnen, eine Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern zwischen uns.
Wie es geht? Gut geht’s. Sie hatte das Glück, dass ihre Hausärztin ihr gleich zu Beginn der Krise wegen der Schwangerschaft krank schrieb. Das war zwar eine Koinzidenz, aber es war ihr schon recht gewesen. Die Morgenbesprechungen im Krankenhaus waren ihr immer suspekter vorgekommen. Fünfzig Ärzte dicht an dicht in einem Zimmer und Besprechungen, die immer länger dauerten. Das war der Beginn der Covid. Es gab jeden Tag mehr zu bereden. Klar war auch gleich, dass es kaum Schutzkleidung geben würde. Man würde improvisieren müssen. Die Ärztin neben ihr auf dem Flur machte noch alle Covid-Abstriche alleine, aber sie tranken Kaffee aus derselben Kaffeemaschine. Sie dachte an ihr Kind im Bauch und war froh, sich und das Baby isolieren zu können.
‚Wann es kommt? Ende Mai, Anfang Juni. Wir werden dafür doch ins Krankenhaus gehen müssen. Es ist das erste Mal und man weiß ja nicht, ob es Komplikationen geben wird. Mein Körper ist es noch nicht gewohnt. Dann besser im Kreissaal. Aber wenn alles gut geht werden wir nach vier Stunden wieder heim gehen. Besser zuhause als dort. Dort kann jeden Moment ein anderer durch die Tür kommen. Nein danke!‘ Ihr Partner sagt, ‚ich darf bei der Geburt dabei sein, aber danach würde ich sie dann nicht besuchen können.‘ Beide lachen ob der Absurdität der Lage. Aber dann meint sie: ‚Was soll man auch machen? Es geht nicht anders. Wir müssen uns anpassen.‘ 
Er: ‚Jetzt wird gesagt, dass der erste Impfstoff in einem Jahr erwartet wird. Aber für Masern hat man vier Jahre benötigt. Das ist die Realität, damit müssen wir versuchen zu leben. Nicht einander anstecken. Konsequent Mundschutz tragen, das hilft. Ich begreife die Leute nicht, die stattdessen allerlei absurden Verschwörungstheorien hinterherlaufen, zum Beispiel dass Merkel das macht, um uns einen elektrischen Chip zu implantieren. Das ist doch absurd.‘ Beide ärgern sie sich an den Leuten im Supermarkt, die nur lässig einen Mundschutz überstreifen, weil es halt sein muss, aber ihn sofort nach der Kasse wieder herunterziehen. Fahrlässig. ‚Diese arme Kassiererinnen, die sitzen da den ganzen Tag stoisch hinter der Scheibe. Die müssen das alles ertragen.‘
Es ist schwierig ausgerechnet jetzt ein Kind zu bekommen, meint sie. Abgesehen vom Risikofaktor Krankenhaus, abgesehen davon, dass man noch nicht genau weiß, was das Virus mit Kindern macht: keine Kita, kein Kinderladen nimmt jetzt neue Kinder auf. Sich in einer Liste eintragen? Geht nicht! Auch deshalb überlegt sie sich, ihre Mutterzeit auf einundeinhalb Jahre auszuweiten. ‚Wäre doch gut. Wenn das Baby dann anfängt zu laufen bin ich dabei. Das würde ich sonst verpassen.‘ Beide stehen da und lächeln versonnen. Zwei Eltern in froher Erwartung. Wir wünschen ihnen alles Gute.
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    Die Autorin wohnt in Berlin-Wilmersdorf

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