DR. GERDIEN JONKER, PHD. - HISTORIAN OF RELIGION AND AUTHOR
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100 Tage.
Eine Ethnographie Berlins
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Abgeschlossen

Von 18. März bis 23. April

Donnerstag, der 26. März - Am Flughafen Tegel

3/26/2020

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3/26/2020
In den Zeitungen wurde in letzter Zeit wiederholt von einem Exodus berichtet, von 300.000 Altenpflegerinnen zum Beispiel, die Deutschland Richtung Osteuropa verlassen haben, auch von 100.000 deutschen Touristen, die auf Kosten der Regierung nach Deutschland zurückgeholt worden sind. Ob es nun das Regime der nationalen Gesundheitssysteme oder die Sorge um den Liebsten war die sie die Koffer packen ließ, überall auf der Welt kehrten Bau- und Saisonarbeiter, Pflegepersonal, Touristen, Erasmus-Schüler und -Studenten in ihre Heimat zurück. In Berlin landeten bereits die Ibiza-Urlauber, die Teneriffa-Langzeitgäste und die Taucher aus Ägypten. Übriggeblieben sind die Gestrandeten, solche die den Anschluss verpasst haben und solche, die sich eh auf eigenen Kosten durchschlagen müssen. Wer landet in diesen Zeiten noch auf Tegel? Wer macht sich jetzt dorthin auf, um wohin zu fliegen? Um solche Fragen zu beantworten reicht ein kurzer Blick.
‚Die BVG hält Berlin mobil‘ steht auf allen Abfahrttafeln entlang dem Kurfürstendamm und jede zwei Minuten hält dort auch ein Bus. Der 109 Richtung Flughafen Tegel fährt heute dennoch nur für mich. Bleibtreustraße – Olivaer Platz – Adenauerplatz: niemand steigt zu, niemand will mit mir fahren. Erst am Jakob Kaiser Platz warten vermummte Gestalten mit Gepäck. Pünktlich erreichen wir den Flughafen, steigen aus, rufen dem Fahrer einen Gruß zu, gehen in allen Richtungen davon. Der A-Bereich liegt im Dunkeln, rot-weißes Band versperrt den Eingang zum Terminal, bewaffnete Polizei patrouilliert. Im C-Bereich ist noch Betrieb. Es ist 11.00 morgens. Aus Amsterdam landet gerade ein Flug. Um eins geht ein anderer nach München ab, um fünf noch einer nach Doha und vielleicht wird später noch eine Maschine nach Kiew starten. Andere Flüge gibt es nicht. 
An den Glastüren zum Kofferbereich stehen zwanzig Abholer mit Schildchen und Blumen. ‚Willkommen!‘ steht daran geschrieben, amerikanische Papierflaggen sind darauf gesteckt. 11.10 erscheinen vier Rucksackträger, die eilig das Weite suchen. 11.20 wird ein Rollstuhlfahrer herausgeschoben und zu den Taxen gebracht. Warten. 11.40 geben die Türen endlich ca. hundert übermüdete Passagiere frei. Am aufgetürmten Gepäck erspähe ich Klebestreifen, die von einer langen Reise erzählen. Mex-Amsterdam-TXL, Houston-Amsterdam-TXL, SFO-Amsterdam-TXL: Amsterdam war für diese Reisenden nur der Sammelort. Ein Mädchen fliegt den Eltern in die Armen. Tränen. ‚Sie ist wieder da!‘ ruft die aufgelöste Mutter dem Bodenpersonal zu. Eine deutsch-afrikanische Familie schiebt sechzehn Koffern vor sich her. Ein Busunternehmen holt Russen ab, um sie Richtung Russland zu fahren. Niemand lacht, niemand strebt zu den Toiletten, nix wie weg hier.
Als ich wieder im Bus sitze – schwellende Knospen, blitzende Dächer, lauter eitel Sonnenschein – verspüre ich Beklommenheit in der Brust. Alle kehren zu ihren Liebsten und den sicheren Hafen ihrer Heimatländer zurück. Aber was, wenn es dort nicht sicher ist?




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    Die Autorin wohnt im Berlin-Wilmersdorf

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