DR. GERDIEN JONKER, PHD. - HISTORIAN OF RELIGION AND AUTHOR
  • Vita
  • Books
  • Jews / Muslims
    • On the Margins (2020)
    • "Etwas hoffen muß das Herz" (2018)
    • The Ahmadiyya Quest for Religious Progress (2016)
    • Im Spiegelkabinett (2013)
  • Mosque Archives
    • The AAL Mosque Archive
  • Blog
    • Von 18. März bis 23. April
    • Von 25. April bis 16. Mai
    • Von 18. Mai bis 25. Juni
  • Contact
  • Digital

100 Tage.
Eine Ethnographie Berlins
​in der Corona-Krise
​
I. Das Geräusch der Stille

Abgeschlossen

Von 18. März bis 23. April

Montag, der 6. April - Aufatmen

4/6/2020

0 Comments

 
Die Berliner Luft erholt sich. Heute Morgen um 9.00 vergab der Berliner Luftqualitätsindex die Note 2 („gut“) an Schöneberg und Charlottenburg. Stark befahrene Straßen, darunter die Leipziger und die Karl-Marx, bekamen immerhin die Note 3 („befriedigend“). Für die Note 1 („sehr gut“) muss man Berlin noch verlassen. Aber auch so liegen die Werte im grünen Bereich. 
Die Luft erholt sich und mit ihr die Berliner, auch wenn deren Erholung sich langsam vollzieht. Was die Politik nicht geschafft hat, das erledigt sich nun von alleine. Die SUVs bleiben in den Garagen, die Flieger fliegen nicht. An der Württembergischen hängen dafür die Betten aus den Fenstern. Vielleicht wegen den vielen Stunden, die man jetzt darin verbringt? Passanten gehen zu zweit dahin, zwei Fahrradfahrer, zwei Jogger, zwei Stöcke-Schwinger, zwei kleine Jungs mit einer Spielkonsole, eine Frau mit ihrem Hund. Es laufen die Jogger mitten auf dem Fahrdamm. Wann sonst hat man das gesehen in Berlin? Wirtschaftliche Sorgen mögen sie alle haben, aber saubere Luft gibt es jetzt gratis und in Mengen dazu. 
Aufatmen, wo tut man das in Berlin am besten? Am Nachmittag geht es Richtung Tempelhofer Feld. Ich laufe die Route nicht so gerne, wartet doch hinter der S-Bahnbrücke ein Gelände, das die Nazizeit herbe in Erinnerung ruft. Hier, in der Feurig-, Pape- und Kolonnenstraße wurden 1933 die ersten ‚wilden‘ KZs errichtet. Man braucht nur Kurt Hiller darauf nachzuschlagen, um zu wissen was dann geschah. Auch das ist Berlin, yours truly, und bleibt uns wohl noch erhalten. Am Ende der Straße blinkt der Flughafen, am Gebäude Nazi-Adler Pomp. 
Dahinter auf dem Rollfeld steht eine steife Brise. Es segeln die Möwen, die Drachen segeln mit. Auf der Rollbahn in der Mitte rasen die Skater und Surfer. Fahrräder vom Columbiadamm kommend überqueren in Richtung Alt-Tempelhof. Läufer gehen in Trauben, ein Peloton Rennfahrer holt stetig auf. Ein Kind mit einem Roller hat dazwischen nichts verloren. Seit die Kreuzberger sich das Feld einverleibten, ist das hier eher ein Hochrisiko-Geschäft. 
Am Columbiadamm vor dem Shehitlik Friedhof steht eine Ansammlung Menschen. Der Pförtner lässt nur Männer rein und die auch nur zu zehnt. An der Moscheemauer ein Sarg, davor die Männer in einer Reihe. Sprechen das Totengebet und machen Platz für die nächste Schicht. Draußen bei den Mülleimern warten die Frauen. Hier ist die Luftqualität egal, dafür erfüllen Tränen die Luft. 
Zum Schluss noch beim Kioskbesitzer von gegenüber. Der ruft mich zu und berlinert dabei: ‚In Paris sind es Wein und Kondome, bei uns nur Bier und Klopapier. Was sagt uns das über die Berliner?‘ Welche Berliner meint er denn damit? Ehrlich. Ich gebe ihm die Antwort nicht.
 
 


0 Comments



Leave a Reply.

    Author

    Die Autorin wohnt im Berlin-Wilmersdorf

    Categories

    All

    RSS Feed

    Archives

    April 2020
    March 2020

Powered by Create your own unique website with customizable templates.