DR. GERDIEN JONKER, PHD. - HISTORIAN OF RELIGION AND AUTHOR
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100 Tage.
​Eine Ethnographie Berlins in der Corona-Krise
​
II. Ein Kiez geht durch die Krise

Abgeschlossen

Von 25. April bis 16. Mai

Sonntag, der 3. Mai – Dreißig Kilo Vogelfutter

5/4/2020

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Inhaber eines Zeitungskiosks (36). Ort: Seitenstraße der Uhlandstraße
 
‚Die Berliner Zeitung? Um diese Uhrzeit? Da brauche ich nicht mal zu schauen. Die sind alle schon weg. Hier. Nehmen Sie den Berliner Kurier, der kostet nur 1.30€. Die berichten doch alle dasselbe, zumindest wo es darauf ankommt.‘ Ich schaue auf die schwarz-rote Schlagzeile. ‚Was ab Montag alles erlaubt ist. Corona-Lockerungen für Friseure, Öffis, Schulen ...‘, steht da in fetter Aufmachung geschrieben. Tatsächlich, das wollte ich wissen. Ich nehme die Zeitung in Empfang und rechne ab. Ein Freund des Inhabers ist gerade zu Besuch gekommen und stellt einen Klapptisch vor der Tür. Die Männer machen sich daran, eine Zigarette zu rollen. Ich bleibe noch ein bisschen stehen. Morgen darf man wieder zu fünft draußen zusammenkommen. Da können drei heute nicht verkehrt sein.
‚Wie es geht? Heute zum ersten Mal etwas ruhiger. Die Leute schaffen sich jetzt alles über Internet an. Kann man sich gar nicht ausdenken, was alles. Katzenstreu, Säcke Katzenfutter, Dosen Hundefutter. Das wiegt, wenn man einen Karton davon bestellt. Letztens hatte einer dreißig Kilo Vogelfutter bestellt. Der kam hier an ohne eine Sackkarre und konnte das Paket nicht mal heben. Wusste nicht, dass das so schwer sein würde, sagte er. Dann kam er zurück mit einem Kinderwagen. Da greift man sich doch am Kopf, oder? 
Warum? Die Leute haben keine Lust sich anzustellen, darum. Das dauert ihnen alles zu lange. Es ist eine Art Abstimmung mit den Füßen, - mit den Händen, müsste man korrekterweise sagen. Schnell noch ins Internet und dann denken sie, dass Ihnen das auch noch bis oben geliefert wird. Aber das machen die DSL-Fahrer nicht mehr. Ist auch nicht zu schaffen. Wussten Sie, dass die morgens mit hundertachtzig Paketen losgeschickt werden? Hundertachtzig Pakete die sie in zehn Stunden ausliefern müssen! Rechnen Sie mal nach! Das ist drei Minuten pro Paket, vom Wagen bis vor der Haustür, und dann sind sie meistens nicht zuhause. Und dann solche Pakete. Die Fahrer sind ganz schön kaputt, wenn sie hier alles im Laden abgestellt haben. Mit zurück in die Halle nehmen dürfen sie nicht. Dann bekommen sie richtig Ärger. Ich habe einen Freund, der arbeitet als DSL-Fahrer. Der sagt, die Halle ist so überfüllt, da ist kein Durchkommen mehr.‘
An dieser Stelle mischt sich der Freund, der bislang nur zugehört hat, ins Gespräch ein: ‚Ich habe mal was in der Ökonomie gemacht, daher kann ich sagen, die machen alle zusammen den Einzelhandel kaputt. Da rollt demnächst eine Welle von Pleiten auf uns zu. Das ist nicht die Politik. Das machen die Leute selber. Zu faul ihren Arsch zu bewegen und dann wundern sie sich irgendwann, dass es keine Geschäfte mehr gibt.‘ Der Kiosk-Inhaber nickt zustimmend. ‚Und dann sind nur noch wir übrig. Das hätten die wohl gerne.‘ Wir reden noch ein bisschen über die allgemeine Malaise, wie langsam alles vorankommt. ‚Wie Treibsand ist das‘, observiert der Freund. Nicken. Dann gehe ich wieder heim.
 
 


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    Die Autorin wohnt in Berlin-Wilmersdorf

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