DR. GERDIEN JONKER, PHD. - HISTORIAN OF RELIGION AND AUTHOR
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100 Tage.
​Eine Ethnographie Berlins in der Corona-Krise
​
II. Ein Kiez geht durch die Krise

Abgeschlossen

Von 25. April bis 16. Mai

Samstag, der 25. April – Auf der Straße

4/25/2020

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Beruf: Bauingenieur (70). Ort: Seitenstraße vom Kurfürstendamm
 
Er sitzt mit gekreuzten Beinen auf einer rechteckigen Schaumstoffunterlage, einem kleineren Stück Schaumstoff im Rücken und einer karierten Wolldecke über die Knie ausgebreitet. Die Turnschuhe stehen neben der Matte. Er folgt meinem Blick und sagt, ‚sonst tun mir die Füße weh.‘ Ein gut gepflegter Mann mit einer Wollmütze auf dem Kopf und einer zweiten vor sich auf dem Pflaster. Ich lege eine Gabe in die Mütze. Er schaut mich aus nüchternen grauen Augen an. 
Ob ihm nicht zu kalt ist? Nein, sagt er, so ist es gut. Solange ich meine innere Ruhe bewahre, kann ich, wenn nötig, hier auch den ganzen Tag sitzen bleiben. Ich brauche halt das Geld, am besten 20€ am Tag dazu, dann komme ich gerade so über die Runden. Er erzählt, dass er bis Anfang der Krise noch Flyer auf dem Kurfürstendamm verteilte, 8€ die Stunde, da war er meist in ein paar Stunden fertig. Seine Rente war zu gering, um davon leben zu können. So hat er allerlei dazu gejobbt, zum Schluss bei Subunternehmern und eben diesem Flyer-Job. Dann lag nach dem 18. März auf einmal alles flach. Nichts mehr zu kriegen. Da ist er auf die Straße gegangen. Bauingenieur hat er früher gelernt, war immer auf Montage, die Auslandmontage brachte am meisten Geld ein, aber dann hat er irgendwann mal eine Frau kennengelernt und dann war mit dem Ausland Schluss (lacht). ‚Man sagt, jede zehn Jahre fängt eine neue Zeit an. So war das immer mit mir. Jetzt haben wir wieder eine neue Zeit.‘
Wo er schläft? ‚Ich habe meine Wohnung aufgeben müssen. Dafür reicht im Augenblick das Geld nicht. Jetzt schlafe ich hier um die Ecke (weist auf dem Marmor-Eingang eines Bekleidungsgeschäfts), dort ist es sauber und relativ ruhig. Es geht. Haben Sie gesehen wie es dort drüben zugeht? (er weist Richtung Savignyplatz). Die setzen dort alle Nadel, ein Zustand ist es da, das oder die Flasche. Da kann ich nicht dazwischen. In einem Obdachlosenheim war ich auch einmal. Ein Lärm! Nie wieder. Dann lieber hier. Die Leute geben zwar nicht viel, man merkt, dass Andere auch Geldsorgen haben, aber es kommt jeden Tag doch etwas zusammen.‘ 
Was ist mit der Zukunft? Er meint, dass er erst einmal so durch den Sommer kommen will, dann sieht er weiter. ‚Man kann zum Senat, einen Wohnungszuschuss beantragen. Dafür muss man aber erst eine Wohnung haben. Da beißt die Katze sich in den Schwanz.‘  Dass es alles seine Zeit dauern wird, ja, das muss man akzeptieren. Sagt noch einmal, ‚aber solange ich meine innere Ruhe habe wird es gehen.‘ Er schaut mich aus seinen nüchternen grauen Augen an. Hat alles rational durchgedacht und bislang ist es auch gegangen. Wir nicken uns freundlich zum Abschied zu.


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    Die Autorin wohnt in Berlin-Wilmersdorf

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