DR. GERDIEN JONKER, PHD. - HISTORIAN OF RELIGION AND AUTHOR
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100 Tage.
​Eine Ethnographie Berlins in der Corona-Krise
​
II. Ein Kiez geht durch die Krise

Abgeschlossen

Von 25. April bis 16. Mai

Mittwoch, der 13. Mai – In der Falle

5/13/2020

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Verwalter eines Appartementhauses (47). Ort: Hohenzollerndamm
 
Meine Mieter kommen meistens aus Libyen, manchmal auch aus den Golfstaaten, aber meistens aus Libyen. Es sind Schwerkranke die hierherkommen, um in Berliner Krankenhäuser behandelt zu werden. Meistens reisen sie mit Verwandten an, mit einem Sohn, einer Tochter oder einer Ehefrau, die sie während der Reise begleiten, während der Behandlung im Appartement wohnen und sie im Krankenhaus besuchen. Das ist eine große Aufgabe. Libyer können nur über Tunis hierher fliegen und um zum Flughafen zu gelangen müssen sie ein gefährliche Reise auf sich nehmen, - erst mit Bussen, dann mit Autos, oft umsteigen, viele Umwege, so ungefähr. Für kranke Menschen ist das sehr beschwerlich. 
Als sich in März die Krise ausbreitete machte Tunesien früher zu als Deutschland. Meine Mieter konnten also auf einmal nicht mehr zurückfliegen. Panik. Während wir noch nachdachten über Alternativrouten machte auch Deutschland zu. Seitdem sitzen sie hier fest, jetzt schon seit sieben Wochen. Die Behandlungen wurden abgesagt und neue Termine nicht vergeben. Das war sehr schwer für sie. Jetzt kommt zwar alles langsam wieder im Gang. In Juni geht es wieder mit den Terminen los. Aber bei den meisten Mietern ist das Geld ausgegangen, oder, sagen wir mal so, sie können nicht mehr darankommen. Jetzt werden sie alle versuchen, bei der erstbesten Gelegenheit wieder nach Tunis zu fliegen. Zwar haben sie mir versprochen, das Geld zu schicken sobald sie wieder daheim sind. Aber, - was soll ich sagen? Wie soll ich ihnen hinterher, wenn sie das nicht tun? Nein, das Geld ist weg. Das ist für mich ein einziger Verlustposten gewesen. Aber was hätte ich sonst tun sollen? Sie auf die Straße setzen? Das sind Schwerkranke, das kann man nicht machen, rein menschlich kommt das nicht im Frage. Und, verstehen Sie, man lernt sich kennen, sieben Wochen ist eine lange Zeit. Diese Menschen haben viele, viele Probleme. Glauben Sie mir.
Er atmet durch und schaut mich an: ein Palästinenser, der in den frühen 1990 Jahren nach Berlin kam, um an der TU Elektroingenieur zu studieren und Wahlberliner geworden ist. Jetzt verwaltet er dieses Haus, das einzige in seiner Sorte in Berlin. Für die Zukunft sieht er schwarz. Aus Libyen und den Golfstaaten werden sie nicht mehr hierherkommen, sagt er. Europa ist in der arabischen Welt als eine hochinfizierte Region verschrien. Die drüben wollen nicht sehen, dass hier mehr getestet wird als anderswo und dass die Zahlen dadurch höher sind. Was das Virus in Nordafrika anrichtet, das wissen wir einfach nicht. Darüber gibt es schlicht keine Zahlen.
Was er machen wird? Das weiß er noch nicht. Jetzt ist Ramadan. Das Fasten macht müde und schläfrig, da kann er nicht so klar denken. Aber danach ist wieder eine andere Zeit. Eines ist aber jetzt schon deutlich geworden: das Virus wird uns erhalten bleiben bis ein Serum gefunden ist. Und das kann dauern.


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    Die Autorin wohnt in Berlin-Wilmersdorf

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    May 2020
    April 2020

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