DR. GERDIEN JONKER, PHD. - HISTORIAN OF RELIGION AND AUTHOR
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100 Tage.
​Eine Ethnographie Berlins in der Corona-Krise
​
II. Ein Kiez geht durch die Krise

Abgeschlossen

Von 25. April bis 16. Mai

Donnerstag, der 14. Mai – Corona!

5/14/2020

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Italienischer Restaurantbesitzer (60). Ort: Seitenstraße der Konstanzer Straße
 
Dienstag, der 12. Mai
‚Signor! Wie geht es Ihnen!?‘ ‚Wie es geht, Signora? Wie soll es gehen? Es ist schwer. Jeden Tag wache ich auf mit einem Gefühl der Fremdheit. Das ist alles nicht natürlich und es geht auch nicht vorbei. Jeden Tag wieder von vorne! Wo soll das hingehen? Aber meine Verwandten in Italien, die haben es noch schwerer. Die dürfen nicht mal raus! Dagegen ist es hier noch immer eine Art Freizeit. Man kann joggen. Man kann spazieren gehen, Pilze suchen! Aber trotzdem: schwer. Jetzt dürfen wir am Freitag das Restaurant wieder öffnen. Aber ehrlich, wie soll das gehen? All diese Leute hier drinnen an den Tischen. Da kann man sich doch so wieder infizieren!‘ 
Ich verspreche, in zwei Tagen noch einmal vorbeizuschauen.
Donnerstag, der 14. Mai
Als ich wiederkomme ist der Laden am Brummen. Der Restaurantraum wurde heute auf Hochglanz geputzt und die schweren Eichentische neu aufgestellt. Diejenige, die jetzt fehl am Platz sind, werden gerade nach draußen getragen. Das sind ziemlich viele. Aber alle sind wieder da und packen mit an. Die junge Frau in der Bar, die die ganze Zeit beim Kind zuhause geblieben ist, nickt verstohlen und lacht. Der ältliche Kellner, der uns immer mit einer leichten zeremoniellen Verbeugung empfing, steht heute lächelnd im Eingang und grüßt die Vorbeigehenden: Come stai! Come stai! Bona sera, Signor! Bona serata, Signorina! Es wird rege zurückgegrüßt. Man freut sich. Autos fahren vor, um eine Tischbestellung zu machen. Der Chef flitzt vorbei, ruft, ‚Gleich, Signora!‘, trägt Einkäufe rein, trägt eine Tischplatte raus, macht im Vorbeigehen Witze mit einem Pizza-Abholer, schwitzt. 
Als er sich zu mir stellt zieht er ein großes Taschentuch raus. ‚Am 17. März haben wir schon zugemacht. Samstag ist das zwei Monate her. Es muss jetzt was passieren! Morgen machen wir auf!‘ Damit ich richtig verstehe was los ist, presst er den Daumen mit den Zeige- und Mittelfingern zusammen und beschreibt damit einen Kreis in der Luft. Öffnen ja. Aber die Öffnungszeiten halten sich vorläufig noch in Grenzen. Zu Mittag gibt es weiter den Abhol-Service. Abends wird das Restaurant nur von sechs bis zehn geöffnet sein. Das ist nicht viel, aber es ist ein Anfang. Man wird abwarten müssen und zuschauen, wie es weiter geht. ‚Es sind harte Zeiten, Signora. Da sind wir in hundert Tagen noch nicht raus. Aber Weihnachten vielleicht. Weihnachten wäre gut.‘ Er schaut mich zweifelnd an. 
Auf dem Nachhauseweg steht ein Mann mitten auf dem Gehsteig. Soeben hat er seinen kleinen Sohn auf die Schultern gehievt und hält die Hände noch schützend hoch. Der Junge aber balanciert da oben als ob es die natürlichste Sache der Welt ist. Er kann das. Die väterlichen Schultern sind ihm wohlvertraut. Als er meiner ansichtig wird ruft er triumphierend: ‚Corona!‘  


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    Die Autorin wohnt in Berlin-Wilmersdorf

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