DR. GERDIEN JONKER, PHD. - HISTORIAN OF RELIGION AND AUTHOR
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100 Tage.
​Eine Ethnographie Berlins in der Corona-Krise
​
II. Ein Kiez geht durch die Krise

Abgeschlossen

Von 25. April bis 16. Mai

Dienstag, der 28. April – Bis Weihnachten

4/30/2020

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Inhaber eines Lakritz-Geschäfts (56). Ort: Uhlandstraße
 
Als er die Türklingel hört kommt er aus dem hinteren Zimmer nach vorne, ruft, ‚warten Sie ein Moment‘, sucht unter der Theke und setzt umständlich eine Apothekenmaske auf. Ein großer gemütlicher Mann mit einer norddeutschen Mundart. ‚Ich hörte eben im Radio, dass es morgen auch in Berlin gesetzlich ist, so dachte ich, da übst du schon mal ein bisschen. Hallo. Was wird es denn sein? Nein, nein, rühren Sie nichts an, ich bediene jetzt selbst.‘ 
Er hat seine grüne Schürze vorgebunden und geht mit seinem Schaufelchen an den Gläsern entlang. Weist mich darauf hin was es an Neuem im Assortiment gibt, empfiehlt ‚die Griotten sind vorzüglich, wollen Sie eine probieren?‘ und beginnt von allem etwas in ein Zellophan Tütchen zu löffeln. ‚Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich so noch mal im Laden stehen würde (weist mit der Schaufel ins Gesicht), aber ich denke, die Chinesen haben’s auch gemacht. Ich meine, die taten es einfach. Wenn die das können, dann können wir es auch. Hauptsache, wir kriegen es hinter uns.‘
Wie läuft das Geschäft? 
Ach, ich kann nicht klagen. Es geht mir manchmal ein bisschen zu langsam zu, mit nur einem Kunden zugleich im Laden, wissen Sie. Auf der anderen Seite, die Leute bestellen jetzt auch. Das ist für mich interessant. Ist natürlich viel Arbeit, die Ware muss verpackt und zur Post gebracht werden, umständlich alles, aber es wird doch richtig viel bestellt. Nicht so ein Schiet Tütchen, Pardon! wie dieses hier. Es kostet auch 4.50 Euro extra  wenn man es mit der Post verschickt. So ein bisschen würde sich dann nicht lohnen. Ein Kilo verpacke ich jedes Mal locker. Die sitzen zuhause auf dem Sofa und bestellen dies noch und das noch, da kommt etwas zusammen. Die Leute können nicht auf ihre Lakritze verzichten. Die gehören halt dazu. Jetzt erst recht.
Was meinen Sie wie lange es dauern wird?
Sie meinen, diesen Zustand? Ich rechne bis Weihnachten. Das habe ich mir so zurechtgelegt. So kann ich mich darauf einstellen. Man hört die Leute im Radio allerlei reden. Die sagen dann, Jahre, wir müssen uns auf Jahre umstellen. Das glaub‘ ich aber nicht. Das kann ich auch nicht. Bis Weihnachten sage ich, und danach ist wieder eine andere Zeit. Wenn wir Glück haben! Viel länger können wir auch nicht mit diesen Dingern vorm Gesicht, glaub‘ ich. 

Während dem Abrechnen hält er einen Moment lang inne und schaut mich nachdenklich an. ‚Es laufen hier viele mit einer Infektion rum, ohne es zu wissen. Meinen Sie nicht auch?‘ In mir keimt eine Ahnung, in welches Dilemma dieser Mann sich täglich begibt. Jeder Kunde ist ihm willkommen aber auch eine potentielle Bedrohung. Damit muss er leben. ‚So. lassen Sie jetzt mal die nächste Kundin rein. Sonst wartet die zulange.‘
 

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    Die Autorin wohnt in Berlin-Wilmersdorf

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    May 2020
    April 2020

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