‚Lichtenberg. Ort der Vielfalt‘ verkündet die Plakette am Eingang des Lichterberger Bezirksamtes. Ein schmuckes Rathaus ist es, umringt von schmucken Bürgerhäusern. Ein Bäcker, ein Kosmetikgeschäft, eine wilhelminische Bürgerschule wie eine Trutzburg, nirgendwo Graffiti, lediglich ein paar Senioren sind zu sehen. Die Grünanlage ist ein aufgelassener Friedhof. Die Steine liegen auf dem Rücken, überwuchert von Grün. Alfred Otte, Jutta Strache, Sophie und Wilhelm Hilliger, Ruhestätte Familie Thomalla, die meisten wurden noch in den 1950er Jahren bestattet. Dann wurde die geweihte Erde zum Durchgangsort und Bedürfnisanstalt. Hier hat der Zahn der Zeit schon sehr gewütet.
Hinter dem Friedhof thront das Gelände des Ministeriums für Staatssicherheitsdienst in all seiner Hässlichkeit. Ein Gebäudeplan am Tor weist auf die Funktionen hin, darunter Spionageabwehr, Bewaffnung, Zentraler Operativstab, Staatsapparat, Zentralregistratur und Aktenverwaltung. 91.000 Mitarbeiter gingen hier hauptberuflich der Spitzelarbeit nach. Ringsherum stehen die Hochhäuser der 1980er Jahre: neue Wohnungen für die, die es sich verdient hatten. Auch entlang der sich nordwärts erstreckende Ruschestraße stehen schmucke Appartementhäuser, allesamt renoviert. Die Stasi wohnte gut. Vor dreißig Jahren wurden hier über Nacht 91.000 Menschen arbeitslos. Sind das nun die Senioren, die im Netto-Supermarkt bei den Kassen drängeln, als ob morgen der dritte Weltkrieg ausbrechen wird?
Dort wo der Stadtplan 1930 noch Felder und ein Rittergut verzeichnete, fängt die Vulkanstraße an. Stillgelegte Fabriken, verbarrikadierte Hangars, nur wenige Leute unterwegs. Wer Vielfalt sucht scheint hier am falschen Ort. Auch an der Herzbergstraße stehen verlassene Portiershäuser am Zaun. Ein paar Autowerkstätten haben noch geöffnet. Trostlos. Doch befindet sich hier das Dong Xuan Center, bis vor kurzem das klopfende Herz des Asienhandels in Berlin. Lebensmittel, Restaurants, Textilien, Schuhe, Plastikblumen, Handyreparatur, Antiquitäten, Services, Solartechnik, alles was der asiatische Kontinent zu bieten hat und in Berlin gerne abgenommen wird. Doch dieses Herz, es klopft nicht mehr. In Februar, noch bevor die Krise offiziell wurde, meldeten die Zeitungen bereits, dass Berliner Händler wegen ‚Angst vor Ansteckung‘ Dong Xuan mieden. Die Angst beruhte auf Bauchgefühl nach dem Trump-Muster Virus = China-Virus = Chinesen sind gefährlich. Die Angst war ansteckend. Dann war der Handel futsch.
Die Corona-Krise gibt Anlass, die Soziologie der Grenzziehung zu beleben. Seit sie begann ekeln Landbewohner Städter aus ihren Landstrichen, bewerfen im französisch-deutschen Grenzgebiet Deutsche ihre Nachbarn mit Eiern, treibt die chinesische Regierung afrikanische Langzeit-Residenten zusammen. Dieses Virus befindet sich nicht im Rachen, es wird sozialen Gruppen zugeschrieben. Es ist 'der Fremde‘, der gefährlich ist. In Berlin-Lichtenberg hat diese fatale Verschiebung die fragile Vielfalt, die sich inmitten einer deutschen Ödnis an der Herzbergstraße zu festigen begann, fürs erste plattgemacht.
Hinter dem Friedhof thront das Gelände des Ministeriums für Staatssicherheitsdienst in all seiner Hässlichkeit. Ein Gebäudeplan am Tor weist auf die Funktionen hin, darunter Spionageabwehr, Bewaffnung, Zentraler Operativstab, Staatsapparat, Zentralregistratur und Aktenverwaltung. 91.000 Mitarbeiter gingen hier hauptberuflich der Spitzelarbeit nach. Ringsherum stehen die Hochhäuser der 1980er Jahre: neue Wohnungen für die, die es sich verdient hatten. Auch entlang der sich nordwärts erstreckende Ruschestraße stehen schmucke Appartementhäuser, allesamt renoviert. Die Stasi wohnte gut. Vor dreißig Jahren wurden hier über Nacht 91.000 Menschen arbeitslos. Sind das nun die Senioren, die im Netto-Supermarkt bei den Kassen drängeln, als ob morgen der dritte Weltkrieg ausbrechen wird?
Dort wo der Stadtplan 1930 noch Felder und ein Rittergut verzeichnete, fängt die Vulkanstraße an. Stillgelegte Fabriken, verbarrikadierte Hangars, nur wenige Leute unterwegs. Wer Vielfalt sucht scheint hier am falschen Ort. Auch an der Herzbergstraße stehen verlassene Portiershäuser am Zaun. Ein paar Autowerkstätten haben noch geöffnet. Trostlos. Doch befindet sich hier das Dong Xuan Center, bis vor kurzem das klopfende Herz des Asienhandels in Berlin. Lebensmittel, Restaurants, Textilien, Schuhe, Plastikblumen, Handyreparatur, Antiquitäten, Services, Solartechnik, alles was der asiatische Kontinent zu bieten hat und in Berlin gerne abgenommen wird. Doch dieses Herz, es klopft nicht mehr. In Februar, noch bevor die Krise offiziell wurde, meldeten die Zeitungen bereits, dass Berliner Händler wegen ‚Angst vor Ansteckung‘ Dong Xuan mieden. Die Angst beruhte auf Bauchgefühl nach dem Trump-Muster Virus = China-Virus = Chinesen sind gefährlich. Die Angst war ansteckend. Dann war der Handel futsch.
Die Corona-Krise gibt Anlass, die Soziologie der Grenzziehung zu beleben. Seit sie begann ekeln Landbewohner Städter aus ihren Landstrichen, bewerfen im französisch-deutschen Grenzgebiet Deutsche ihre Nachbarn mit Eiern, treibt die chinesische Regierung afrikanische Langzeit-Residenten zusammen. Dieses Virus befindet sich nicht im Rachen, es wird sozialen Gruppen zugeschrieben. Es ist 'der Fremde‘, der gefährlich ist. In Berlin-Lichtenberg hat diese fatale Verschiebung die fragile Vielfalt, die sich inmitten einer deutschen Ödnis an der Herzbergstraße zu festigen begann, fürs erste plattgemacht.